Wertvolle Links / Ton – Wort – Bild

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Tondokumente / Literaturpfad
Tonkunde · Kaspar Hauser
·
 
Wünschelrute Joseph Freiherr von Eichendorff
Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.

 

UNVERGESSENE INTERPRETEN bei YOU TUBE

WANDA LANDOWSKA UND JOHANN SEBASTIAN BACH
http://www.youtube.com/watch?v=cxPDiInNseY

GOLDBERG-VARIATIONEN CEMBALO
https://www.youtube.com/watch?v=HWD-JvJ-6yk

WANDA LANDOWSKA – Clip mit  Bach
https://www.youtube.com/watch?v=qw3FstKlse0

WANDA LANDOWSKA – MOZART
https://www.youtube.com/watch?v=cSz2y9kuDhE

Dvořák Symphony No 9 New World Sergiu Celibidache 
https://www.youtube.com/watch?v=HlZ95Cg-NXI

Ravel – Bolero. Sergiu Celibidache 1971
https://www.youtube.com/watch?v=gy5Ve3338-E

 

HISTORISCHE  AUFNAHMEN

Gluck „Orpheus & Eurydike“ Ferenc Fricsay 1956
https://www.youtube.com/watch?v=_6UFW1BNX9w

Mozart ‚Don Giovanni‘ Overture – Stokowski conducts
https://www.youtube.com/watch?v=7qT6_9_24Rk

Leopold Stokowski „Symphony No 2“ Mahler
https://www.youtube.com/watch?v=UqCFw64-ARc

 

ALBERT SCHWEITZER: Dem Geist, wenn er in Reinheit und Kraft auftritt, kann nichts widerstehen

an der Orgel in Günsbach

https://www.youtube.com/watch?v=pbU3preF97o

Bach: Passacaglia und Fuge c-moll, instrumentiert von Leopold Stokowsky
Bach, Matthäus Passion mit Wilhelm Furtwängler in dessen Todesjahr 1954
https://www.youtube.com/watch?v=vyWnGXYsMHQ

 

LITERATURPFADE

Diese Links mögen die nachfolgend gegebenen Stichworte ergänzen:

NOVALIS-WANDERWEG (782.6 KB)
www.romantikerhaus.jena.de
www.internetloge.de/arst/goethe.htm
www.kaspar-hauser.info
Goetheanismus
AnthroWiki

Bedenke!

Das eine ist, sich im Geist der Zeit zu bewegen, ein anders, nach der Zeit des Geistes zu fragen.
Das Endliche mag sich im Unendlichen verlieren, wenn es nicht selbst zu tönen vermag.
Das Unendliche mag indessen im Endlichen seinen Widerhall suchen, damit sich beide wiederfinden und entwickeln!

Notizen Rudolf Steiners:

Du bist Eigenton im Weltenlicht.
Töne leuchtend!
Leuchte tönend!

Musik hat Offenbarungscharakter; die Eurythmie vermag, den Menschen als musikalisches Wesen in Erscheinung treten zu lassen. Eine Kunst, die unendliches Üben und Geduld erfordert, desto mehr, je weniger man es ihr ansieht. Allerdings wird sich wahres Können dennoch durch seine Intensität stets mitteilen und niemals ins Unverbindliche abgleiten. Auch erfordert Eurythmie fundierte Kenntnisse in Musik und Sprache, schließlich ist sie auf die Begegnung mit Sprach- und Tonkünstlern angelegt, nicht als ihre Begleiter, sondern als Partner in der Begegnung der Künste. Im Trio Eulyra vertritt Andrea Fitzlaff künstlerisch die Sphäre des Bildes als Bewegung in dessen Bezügen zu Wort und Ton. Denn Eurythmie versteht sich nach einem Wort ihres Begründers Rudolf Steiner als »sichtbare Sprache, sichtbarer Gesang«.

Das Trio Eulyra versteht sich indessen nicht als Eurythmie-Ensemble, sondern im Sinne der Begegnung der Künste: Ton, Wort und Bild. Verborgene Bezügen zwischen Ton und Wort sollen aufgespürt werden, während Eurythmie wiederum als bewegtes Bild sichtbar werden lassen kann, was in der Tonkunst und Dichtkunst lebt.

Heinrich von Kleist in einem seiner letzten Briefe:

»Ich betrachte die Musik als die Wurzel aller übrigen Künste.«

Goethe spricht in den Tag- und Jahresheften 1805 »von der Tonkunsst, dem wahren Element, woher alle Dichtungen entspringen und wohin sie zurückkehren.«

Bei Johann Sebastian Bach indessen lässt sich entdecken, dass er den Ton immer wieder auf das Wort bezog. Goethe schrieb über die Wirkung seiner Musik in Erinnerung an seine Bach-Exerzitien bei dem Organisten Schütz in Bad Berka 1814:

»Ich sprach mir’s aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sichs etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung möchte zugetragen haben; so bewegte sich’s auch in meinem Innern, und es war mir als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte.«

Johann Sebastian Bach:
»Tobe Welt und springe, ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh.«
(Motette ›Jesu, meine Freude‹)

Gemäß Goethes Tonlehre äußert sich Tonkunst organisch unmittelbar als Gesang oder Gebärde. Im Sinne der drei Dienerinnen der schönen Lilie (der Sphären von Ton, Bild und Wort) in Goethes aufklärerischer Offenbarung ›Das Märchen‹ versteht der Dichter auch seine TonlehreFarbenlehre und Metamorphose der Pflanzen als die drei Urbereiche einer umfassenden Kultur auf dem Weg des Menschen zu sich selbst. »Erkenne das Höchste!« heißt es im Märchen zum einen, zum anderen enthüllt es als aufklärerische Offenbarung ein künstlerisches Geheimnis: »Die Liebe herrscht nicht, aber sie bildet, und das ist mehr«. Novalis stellt der der schönen Lilie die ›die blaue Blume‹ an die Seite. Das Auge der menschlichen Seele ist damit angesprochen im Streben, das Geistige als das Wirkliche zu erfassen. Im Ätherblau ruht des Geistes Sehnsucht (Rudolf Steiner). Das Wesen der Klassik erschöpft sich nicht im Geist der Zeit! Wie die frühe Romantik, als ihre natürliche Ergänzung, ist mit ihr nach der Zeit des Geistes zu fragen als ein Bewußtwerdungs-Prozess des Menschen. Freimauerer-Bestrebungen eines Lessing, Goethe und Mozart waren der Versuch, Kunst in den Dienst der gesellschaftlichen Wandlung zu stellen. Ein Anliegen, das heute als individuelle Herausforderung an Jeden verstanden werden kann.

 

KASPAR HAUSER – Ein Schicksal im Herzen Europas

Ein Beitrag von Hans-Martin Köhler

Hauser – sein Blick zum Himmel (Reich des Erzengels Michael)

»Was fruchtbar ist, allein ist wahr« Goethe, ähnlich lautend auch an Zelter in Sachen Tonlehre. Das Märchen: »Die Liebe herrscht nicht, aber sie bildet, und das ist mehr!« G. F. Daumer, Gymnasialprofessor und Pflegevater Kaspar Hausers (1812-33), Bericht über den ›Findling‹, der bis zu seinem 16. Lebensjahr in einem dunklen Verlies gefangen gehalten wurde mit dem Ziel, aus ihm einen nicht mehr entwicklungsfähigen Idioten zu machen, vielleicht gar eine Art Zerrbild als deutscher Michel (Karikatur des Erzengels Michael). Nach seiner Freilassung hängte man ihm ein Schild um den Hals und flüsterte dem, der kaum sprechen konnte, das Wort ein, er wolle einmal ein Reiter werden wie sein Vater, damit er den verwunderten Menschen etwas zu erzählen hatte.

Aus Daumers Text: »Im August (1828, nebenbei bemerkt – zur historischen Orientierung – Todesjahr Franz Schuberts mit dessen ›himmlischen Längen‹ als Vertreter der Frühen Romantik nach Novalis und neben Caspar David Friedrich) sah er zum ersten Mal den gestirnten Himmel. Sein Erstaunen, seine Freude lässt sich nicht beschreiben. Er konnte sich nicht satt daran sehen, kehrte immer zu dem Anschauen zurück und bemerkte die Sterngruppen und die ausgezeichnet hellen Sterne in den verschiedenen Farben. Er sagte, das sei das Schönste, was er jemals gesehen und fragte, wer die vielen schönen Lichter da hinauf setzte, anzünde und wieder auslösche. Als man ihm sagte, dass sie wie Sonne und Mond immer fortleuchteten, aber nicht immer gesehen würden, fragte er, wer sie zuerst hinauf gesetzt habe, dass sie immer fortbrennten. Endlich versank er in tiefes Nachdenken, indem er, wie gewöhnlich, unbeweglich und mit gesenktem Kopfe dastand, nichts mehr sehend und hörend.

Als er wieder zu sich kam, hatte sich seine Freude in tiefste Schwermut verwandelt. Er ließ sich zitternd auf einen Stuhl nieder und fragte: warum ihn jener böse Mann immer eingesperrt und nichts von allen diesen Schönheiten gezeigt habe, er habe doch nichts Böses getan. Er brach in ein langes, schwer zu stillendes Weinen aus. Man solle den Mann, sagte er unter anderem, auch einmal zwei Tage lang einsperren, damit er wisse, wie hart das sei. Zu erinnern sei, dass er früher durchaus von keiner Strafe des Mannes etwas wissen wollte«. – 

Jetzt war sein Blick frei bis ins Reich, wo sich Engel ganz anders bewegen als Raumschiffe.

Nachdem Kaspar Hauser nach seiner Freilassung mit sechzehn Jahren zunächst in Nürnberg, dann in Ansbach Freunde und ein Zuhause gefunden hatte, erregte er in der Öffentlichkeit ein vielschichtiges Echo. Er nahm eine erstaunliche Entwicklung, lernte schnell sprechen, lesen, schreiben, malen, Klavierspiel und Tanzen. Das Ziel, einen dummen Toren aus ihm zu machen, war nicht aufgegangen. Man hatte ihn aus gewissen Gründen nicht physisch, sondern seelisch vernichten wollen! Der Junge überlebte zwölf Jahre mit wenig Brot und Wasser. Nach und nach schien die unerwartete Entwicklung und Erscheinung den Feinden des Findlings gefährlich zu werden; glich sie doch einer Art Auferstehung eines Totgesagten. 1833 wurde Kaspar Hauser schließlich mit dem Versprechen, Aufklärung über seine Mutter zu erhalten, in Ansbach in den nahen Park gelockt und an der verabredeten Stelle erstochen. Den Stich ins Herz überlebte er noch drei Tage, der Dolch (englischer Herkunft) fand sich im Gebüsch; auch konnte er noch vernommen werden zu dem Ereignis. Die Enthüllung stellt sämtliche Krimis in den Schatten, wirft zugleich einen Blick auf die Zustände Europas im 19. Jh. mit Folgen bis in unsere Gegenwart. Passt das in eine Weihnachtsbotschaft? Nun, auch die Geburt des nathanischen Jesus führte zum Kreuz, das freilich ohne Auferstehung nicht gedeutet werden kann. Schon damals Kindermorde mit dem Ziel, einen verheißenen König aller zu verhindern. Kaspar Hauser kam freilich nur als badischer Kronprinz zur Welt, seines Erbes beraubt, vielleicht auch der Möglichkeit, nach 1848 den deutschen Kaiser zu stellen. Immerhin wurde diese Würde 1849 dann dem Hohenzollern Friedrich Wilhelm IV. angetragen, Freund der Künste und Anhänger des Philosophen F. W. Schelling. Leider verzichtete er; die deutschen Lande schienen ihm für seine geistigen Vorstellungen noch nicht reif zu sein. Die Nachwelt verlieh ihm einen Stempel als Romantiker (wie Novalis oder Schubert, der ein unvollendetes Oratorium hinterlassen hat ›Lazarus‹).

Wer sich in Wikipedia schlau machen will, wird mit Darstellungen des ›Spiegel‹ (48/1996) konfrontiert. Die Genprobe eines Blutstropfens sollte den Beweis erbringen, dass Kaspar Hauser (mit weitreichenden Erwartungen an den Erbprinzen und Sohn einer Adoptivtochter Napoleons) nicht der Sohn des badischen Großherzogs Karl gewesen sei, der 1818 mit 32 Jahren nach siebenjähriger Regierungszeit aus ungeklärten Gründen verstarb; er hatte noch die Verabschiedung einer neuen liberalen Landes-Verfassung bewirkt, war u.a. Förderer des klassizistischen Architekten Weinbrenner, erregte jedoch Ärgernis, weil er nicht bereit war, sich von seiner Frau Stéphanie Napoléon (de Beauharnais) zu trennen. DER SPIEGEL titelte 1996: ›Der entzauberte Prinz – Genforscher lösen ein Jahrhunderträtsel‹. Dieser posthume Anschlag galt einmal mehr dem Erbprinzen. Der Vergleich einer echten Locke Kaspar Hausers ergab allerdings, dass diese mit Genen des irreführend ihm zugeordneten Blutstropfens keine Übereinstimmungen aufweist. Der Blutstropfen, zwar auf einem Kleidungsstück Kaspar Hausers, ansonsten jedoch völlig unbekannten Ursprungs, sollte als Beweismittel gegen die Herkunft Kaspar Hausers dienen. Dubios erscheinen vor allem die Auftraggeber dieser unseriösen Spiegelrecherche. Zur Vorgeschichte: Der fragliche Erbprinz (einziger männlicher Nachkomme Karls) war kurz nach seiner Geburt für tot erklärt worden. An seiner Stelle wurde ein anderes Kind beigesetzt, während der echte Prinz als Säugling lebend fortgeschafft wurde, bis er dann schließlich als Kaspar Hauser in Erscheinung trat, selbst im Ungewissen ob seiner Herkunft. Man hatte ihn freigelassen in der Erwartung, seine Identität sei erloschen, jedenfalls die Spuren, die zu deren Enthüllung führen könnten. Die Dinge kamen nach und nach jedoch ans Licht. Wer hier forschte, lebte freilich im 19. Jh. gefährlich; einige haben es dann auch mit dem Leben bezahlt, so Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach, Begründer der modernen deutschen Strafrechtslehre, schließlich Obervormund und Gönner des anonym aufgetauchten Prinzen, über den er 1832 das Buch ›Kaspar Hauser, Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen‹ veröffentlichte. Feuerbach hatte zuvor auf königliche Anweisung den Code Napoléon überarbeitet als bürgerliches Gesetzbuch für Bayern. Unter seinen Söhnen waren der Maler Anselm Feuerbach (dessen Iphigenie, das Land der Griechen mit der Seele suchend, 1862 in Karlsruhe und Berlin ausgestellt wurde) und Friedrich Feuerbach (1806–1880), Philologe und Philosoph, der 1841 in Berlin (neben Friedrich Engels, Søren Kierkegaard, J. Burckhardt, A. von Humboldt und anderen berühmten Zeitgenossen) Schellings Antrittsvorlesung zur ›Philosophie der Offenbarung‹ hörte. (Deren Urfassung aus dem Jahre 1832 erschien erst vor wenigen Jahren 1995). Eine zentrale Vision in den Berliner Vorlesungen war die eines Dritten Reiches im Herzen Europas aus der Geisteshaltung von Goethes aufklärerischem Meisterwerk ›Das Märchen‹ (1795). Der Dichter erklärte dazu, er habe das quasi musikalisch komponierte Werk bei seinen Reflexionen über Folgen der Frz. Revolution wie eine Offenbarung empfangen; dessen Geheimnis sei die Wahrheit, »sonst wäre es kein Märchen!«

Goethes Denken stand Schellings Offenbarungsphilosophie nah, der sie in Berlin mit der Vision eines ›Dritten Reiches‹ vortragen wollte. Vorstellungen eines universellen Christentums leiteten ihn, eines allumfassenden Wesens der Liebe, das den Menschen – über alles Begrenzende hinweg – als ein geistiges Wesen offenbaren würde. Solches war in gewissem Sinne bereits Lessings Botschaft; er hatte sie mit dem Wesen der Reincarnation verbunden. Im Gegensatz zum buddhistischen Nirwana (dem später mehr oder weniger Richard Wagner mit seiner Sehnsucht nach Tod und Erlösung folgte, ohne Sinn für das Ewig-Weibliche bei Goethe oder für den Begriff des Jungfräulichen) verknüpfte Lessing seine Vorstellung von Reincarnation mit Entwicklungsgedanken. In diesem Sinne ließe sich erklären, dass die Seele Kaspar Hausers offensichtlich eine Mitgift hatte, die nicht Erlösung suchte, sondern Verwirklichung (Bildung) aus dem Geist der Liebe. Sie war wohl so stark, dass sie ihm ermöglichte, bei Brot und Wasser heranzuwachsen. Immerhin hatte er ein Wesen als Gefährten, nämlich ein hölzernes Pferdchen für seinen Ritt durch die dunklen Nächte.

Zwischenzeitlich wurden Forderungen laut, Genproben von Knochen jenes Säuglings zu entnehmen, den man anstelle Kaspar Hausers beigesetzt hatte (ein gekauftes, anschließend ermordetes Kind, während man für den echten Prinzen eine andere Lösung fand). Eine Genprobe dieses Säuglings hätte den Schwindel jenes Spiegelberichts aufgezeigt. Dessen Autor ist bekannt für gelegentliche Auftragsarbeiten irreführender Sonderberichte, wie sie bereits Albert Schweitzer als Gegner der atomaren Aufrüstung hatte über sich ergehen lassen müssen. Damals suchte das Magazin, den Urwalddoktor (der vor allem mit unermüdlichen Händen wirkte) als rückst.ndigen Arzt lächerlich zu machen; gerettet wurde sein Ansehen durch den Friedensnobelpreis. (Auch für solche Dinge finden sich gewissenlose Spezialisten wie jüngst der Steiner-Biograph Zander, sich 2011 nicht damit begnügend, einen Lebensweg zu schildern, der im Untertitel vielmehr verkündete: ›Rudolf Steiner. Die Biographie‹. Für seine Auftraggeber gibt es seither nur die eine. Auch Goethe hatte sich im erwähnten Märchen des bestimmten Artikels bedient, jedoch im Geist der Wahrheit: ›Das Märchen‹).

Das Adelshaus Baden wehrt sich bis heute gegen die Aufdeckung der Wahrheit; man enthält der Öffentlichkeit sogar ein gewisses hölzerners Pferdchen vor. Nun, es sind auch keine Nachkommen Karls aus Karlsruhe, sonderen Erben derer, die wohl ihn wie Kaspar Hauser auf dem Gewissen haben. Wenn die Herren heute gelegentlich Gemächer für Konzerte öffnen, erlebt man sie etwas selbstverloren zwischen Ölbildern ihrer Ahnen. Im Jahr 2013 schien der Weg frei zu sein für weitere Genproben zum Vergleich, doch da war der Sarg mit dem falschen Prinzen spurlos verschwunden. Der echte Prinz, dessen Genprobe im Einklang mit unmittelbaren Vorfahren steht (was manche allerdings wegen einer geringen Abweichung im Promillebereich nicht gelten lassen), lebt nur im wachen Interesse derer weiter, die bis heute nach der Wahrheit dieses Märchens fragen. Es ist ein Stück Geschichte aus dem Herzen Europas, zugleich ein Stück Apokalypse, wenn man darunter die Wesensenthüllung des Menschen als entwicklungsfähiges Geschöpf versteht. Das eben war die unauslöschliche Seele Kaspar Hausers, auch wenn sie keine Entwicklung gemäß ihrer Bestimmung nehmen durfte.

Auf seltsame Weise sind die Jahre 1833 und 1933 miteinander verbunden. Dem Anschlag auf eine entwicklungsfähige individuelle Seele folgte (nach drei Generationen) neben dem Mord an Europas Juden die Zerstörung der deutschen Volks-Seele (unter dem Vorwand, sie auf der Grundlage von Rassismus retten zu müssen). Ende einer schöpferischen Symbiose zwischen Juden und Christen! Man denke etwa an die Familie Mendelssohn, an Lessings Humanismus und Toleranzgebot. Die Mission des Erzengels Michael (einst Schutzpatron des alten, biblischen Israel bis Golgatha, seit 955 des Heiligen Römischen Reiches, später Deutschlands) musste auf Erden dem Dritten Reich des Führers weichen. Das Haus Baden hätte nach den Napoleonischen Kriegen eine Brücke zu Frankreich sein können. Das Reich erfand es sich statt dessen schließlich als Erbfeind. Das Herz des Europäischen Geistes im Sinne von Aufklärung und Wiedergeburt eines fruchtbaren klassischen Erbes hörte nach und nach auf zu schlagen, während sich die Jugend heute eher für Fußball als für Geschichte interessiert. Manche nennen es Kultur, während einige Musik wie eine Art Leistungsport auf historischen Instrumenten treiben. (Die Schicksalssymphonie lässt sich unter Verzicht auf jeden Hauch belebenden Vibratos bis zum Wahn steigern). Goethe hatte 1795 im Märchen einen Königssohn auf der Suche nach der schönen Lilie und seinem verlorenen Reich beschrieben. Der Dichter war vertraut mit Mozarts ›Zauberflöte‹; auch diese handelt vom Werdegang eines Prinzen, den eingangs die apokalyptische Schlange bedroht. Kaspar Hauser scheint irgendwie real an ihre Stelle getreten zu sein. Die Stadt Ansbach gestaltet seit 1998 alle zwei Jahre Kaspar-Hauser-Festspiele für Interessierte des Kindes, das viele bis heute als Kind Europas bezeichnen. Dass das ›Alte Europa‹ andere Wesenszüge hat als gewisse Vorstellungen eines Außenministers der USA, erübrigt sich anzumerken, auch wenn die Eindollar-Note voll von Freimauerersymbolen aus der Welt von Mozarts Zauberflöte ist und die Neue Weltordnung verheißt. Vor Jahren begannen Japaner, nach Ansbach zu pilgern auf der Suche nach der Wahrheit des engelhaften Prinzen. Auftrag an den ›Spiegel‹ war wohl, solch fruchtbarer Geschichtsforschung aus dem Osten den Boden zu entziehen, damit neben Kaspar Hauser nicht noch Goethes West- östlicher Divan auferstehe. Nordamerikas Geist will vorherrschen ohne Liebe (Ausgleich aus dem dem Herzen, Wesen der Mitte). Kunst freilich zählt! Vor allem im Sinne von Andy Warhols Aktion: »Being good in business is the most fascinating kind of art«. Bildung mit Lessings Aufklärung: »Das Gute tun, weil es das Gute ist«. – Drei Welten, bezieht man östliche Spiritualität (Meditation) ein.

Goethe lebte (wie bereits Lessing) mit einer Vision von Weltbürgertum, fand seinen Weg durch eine Art Süd-Nordachse – Italien (Antike, Wiedergeburt, Urpflanze), Shakespeares England – zog dann mit dem West-östlicher Divan (1819/27) die Horizontale zur Vertikalen. Man kann darin ein Kreuz erkennen mit Deutschland als Kreuzpunkt: Licht und Finsternis! Hier schlug mit Kaspar Hauser das Herz einer großen, unschuldigen Seele. Man sagte ihm nach, dass er (anders als Journale) unfähig gewesen sei zu lügen. Also ein Engel! Und wer vermag, auf seinen Schutzengel zu hören, bleibt sich treu, wird fruchtbar sein: ein Prinz. Das ist die Geburt des Menschen und Grundlage jeder Wiedergeburt. St. Michael weltweit.